Direkt zum Inhalt wechseln

Basiswissen

Am Anfang jeder systematischen Literaturrecherche sollten Überlegungen hinsichtlich des geplanten Umfangs der Recherche stehen, dem sogenannten Rechercheprinzip. Es stellt sich diesbezüglich die Frage, ob die Recherche sensitiv oder spezifisch ausgerichtet ist.

Sensitives Rechercheprinzip:
Ist das Ziel, umfassend zu recherchieren bzw. möglichst alle für eine Fragestellung relevanten Treffer zu identifizieren, sollte ein sensitives Rechercheprinzip gewählt werden. Dies bedeutet die Durchführung einer tendenziell umfangreichen Recherche mit breitem Suchansatz, bspw. in vielen verschiedenen Datenbanken, mit vielen denkbaren Suchbegriffen und/oder keinen bzw. nur wenigen Eingrenzungen. Eine sensitive Recherche führt zu einer hohen Gesamtzahl an gefundenen Treffern, von denen ein hoher Anteil nicht relevant ist. Sie ist daher mit mehr Aufwand bei der Auswahl der Referenzen verbunden, dafür ist das Risiko geringer, dass relevante Treffer übersehen werden.

Spezifisches Rechercheprinzip:
Ist das Ziel, möglichst rasch die wichtigsten Treffer für eine Fragestellung aufzufinden, dann sollte ein spezifisches Rechercheprinzip gewählt werden. Dies bedeutet die Durchführung einer tendenziell gezielten Recherche mit engem Suchansatz, bspw. in nur einer oder wenigen Datenbanken, mit den wichtigsten Suchbegriffen und/oder starken Eingrenzungen. Eine spezifische Recherche führt zu einer niedrigen Gesamtzahl an gefundenen Treffern, von denen ein hoher Anteil relevant ist. Sie ist daher mit weniger Aufwand bei der Auswahl der Referenzen verbunden, allerdings steigt das Risiko, dass relevante Treffer übersehen werden.

Beide Rechercheprinzipien sind keine klar getrennten „Pole“, sondern stellen vielmehr ein Kontinuum dar. Eine eindeutige Abgrenzung gestaltet sich somit schwierig. Daher sollten die Begriffe sensitives und spezifisches Rechercheprinzip weniger als klar definierte Kriterien, sondern als Bezeichnungen der tendenziellen Ausrichtung bzw. des tendenziellen Umfangs der Recherche verstanden werden. Die Wahl des Rechercheprinzips legt den grundlegenden Rahmen der systematischen Literaturrecherche fest und bestimmt in hohem Maß die Vorgehensweise in den nachfolgenden Schritten.

Welches der beiden Rechercheprinzipien sollte ausgewählt werden?

Grundsätzlich gilt: Im Hinblick auf eine methodisch hochwertige wissenschaftliche Arbeitsweise ist trotz des höheren Aufwands ein sensitives Rechercheprinzip vorzuziehen, da stets angestrebt werden sollte, möglichst alle relevanten Treffer zu finden. Dennoch sollten folgende Fragen bzw. Überlegungen in die Festlegung des Rechercheprinzips einfließen:

  • Was ist das Ziel der Recherche? Aus dem Ziel lässt sich ableiten, wie wichtig es ist, möglichst alle relevanten Treffer zu finden. Grundsätzlich gilt, je wichtiger ein möglichst vollständiges Suchergebnis ist, desto sensitiver sollte die Recherche angelegt sein. Zur wissenschaftlichen Untermauerung eines Einleitungstextes zu einem Thema oder der Orientierung in einem Thema eignet sich eventuell ein spezifisches Rechercheprinzip. Für eine systematische Übersichtsarbeit, die möglichst alle relevanten Referenzen beinhalten soll, ist eher ein sensitives Rechercheprinzip zu wählen.
  • Welche Ressourcen stehen zur Verfügung? Dies umfasst sowohl zeitliche (bspw. für die Recherche vorgesehener Zeitrahmen) als auch personelle (bspw. Anzahl und Erfahrung der Beteiligten) oder kontextbezogene Ressourcen (bspw. Zugänglichkeit der Datenbank über die eigene Forschungseinrichtung). Grundsätzlich gilt, je geringer die Ressourcen, desto spezifischer sollte die Recherche angelegt sein. Dringend anzumerken ist jedoch, dass diese Überlegungen rein pragmatischer bzw. ökonomischer Natur sind und keiner methodisch hochwertigen wissenschaftlichen Arbeitsweise entsprechen.

Ob eine Fragestellung breit oder sehr speziell formuliert ist, spielt für die Auswahl des Rechercheprinzips eine untergeordnete Rolle. Prinzipiell kann für jegliche Fragestellungen sowohl eine sensitive als auch eine spezifische Recherche durchgeführt werden.

Ein Beispiel, für das sich möglicherweise ein spezifisches Rechercheprinzip eignet:
Suche der wichtigsten Referenzen zur Häufigkeit von nosokomialen Infektionen für einen kurzen Kommentar, der als Plädoyer für mehr Krankenhaushygiene dienen soll.

Ein Beispiel, für das sich möglicherweise ein sensitives Rechercheprinzip eignet:
Systematische Übersichtsarbeit zur Wirksamkeit von Interventionen zur Verbesserung der Mobilität nach Schlaganfall in der Frührehabilitation.